Pyramide 4.0
Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal die Fachtagung der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) besucht. Dort wurde die kürzlich aktualisierte Lebensmittelpyramide vorgestellt. Das Update war notwendig, um den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Zusammenhang von Gesundheit und Ernährung Rechnung zu tragen. Ein weiteres Hauptaugenmerk lag auf der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten. Im Folgenden beschreibe ich die wichtigsten Neuerungen.
Mehr pflanzliche Proteine
Eine der bedeutendsten Änderungen ist die verstärkte Betonung auf pflanzliche Proteinquellen. Tierische Lebensmittel belasten die Umwelt stärker als pflanzliche. Daher ist es angezeigt, den Konsum von Fleisch und Fisch zugunsten von pflanzlichen Proteinquellen wie Linsen, Kichererbsen oder Tofu zu reduzieren. Der Fleischkonsum wird aber auch in der neuen Pyramide nicht ausgeschlossen: Die SGE rät, maximal zwei bis drei Portionen Fleisch pro Woche zu essen und dabei auf Qualität und Nachhaltigkeit zu achten.
Betonung auf Vollkornprodukte
Vollkornprodukte bekommen in der neuen Pyramide einen höheren Stellenwert. Es wird empfohlen, mindestens die Hälfte der täglichen Getreideprodukte in Form von Vollkorn zu konsumieren. Diese sind reich an Nahrungsfasern und wichtigen Nährstoffen, die zur Gesundheit des Verdauungssystems beitragen. Durch den höheren Anteil an Nahrungsfasern sorgen Vollkornprodukte für ein längeres Sättigungsgefühl. Dies kann helfen, das Körpergewicht zu kontrollieren und Heisshungerattacken zu vermeiden.
Nachhaltigkeit im Fokus
Durch die visuelle Entkopplung von den Fetten und Ölen, bekommen Nüsse, Kerne und Samen einen höheren Fokus in der neuen LM-Pyramide. Sie liefern wertvolle (ungesättigte) Fettsäuren, Nahrungsfasern und andere Nährstoffe. Aber: Nüsse weisen keine gute Ökobilanz auf. Aufgrund ihrer hohen Energiedichte ist die Umweltbelastung pro Kalorie (kcal) jedoch einigermassen vertretbar. Am Beispiel dieser Gruppe lässt sich die Schwierigkeit erkennen, den Körper mit genügend wertvollen Stoffen wie z.B. Omega-3 Fettsäuren zu versorgen, dabei aber ökologisch nachhaltig zu sein.
Dasselbe gilt für Fisch: Fettreicher Fisch ist eine hervorragende Quelle für die Omega-3 Fettsäuren EPA und DHA. Aus gesundheitlicher Sicht werden daher ein bis zwei Portionen Fisch empfohlen. Aus Sicht Nachhaltigkeit ist ein derart hoher Konsum jedoch problematisch. Wer wenig oder gar kein Fisch mehr essen möchte, soll – in Absprache mit einer Fachperson – für die Zufuhr von EPA und DHA ein Nahrungsergänzungsmittel aus Mikroalgen einnehmen. Das kommt meiner Meinung nach schon fast einem Tabubruch gleich, wurde die Supplementierung bisher vor allem bei spezifischen Ernährungsweisen (Veganismus) oder Lebenssituationen (Schwangerschaft, Stillzeit, Senior:innen) empfohlen.
Fazit
Die aktualisierte Lebensmittelpyramide der SGE ist vermutlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber die Quadratur des Kreises – die Vereinbarkeit von ausgewogener Ernährung und Nachhaltigkeit – ist mit einer hohen Ernsthaftigkeit angegangen worden. An der SGE Tagung wurde das Dilemma dieser Vereinbarkeit an verschiedenen Beispielen aufgezeigt. Aus dieser Perspektive ist für mich das aktuelle Resultat nachvollziehbar. Schlussendlich müssen die Empfehlungen der SGE, um die breite Bevölkerung zu erreichen, ein gewisses Mass an Umsetzbarkeit aufweisen und lokale Ernährungsgewohnheiten berücksichtigen. Das sehe ich auch in meiner Arbeit als Ernährungs-Coach.
Quelle: Schweizer Lebensmittelpyramide